Manche Titel lassen sich schwer ins Deutsche übersetzen. Zuerst sollte dies ein englischer Blogpost werden, aber es ist wohl eher der deutsche Teil meiner Persönlichkeit, der über dieses Thema nachdenkt, die Entstehung der Stadt Helsinki.
Für mich als Naturfreundin sind Städte eher problematisch. Nun lebe ich in Helsinki und fühle mich hier sehr wohl. Also beschäftigt mich auch die Frage, wie die finnische Hauptstadt entstanden ist. Dabei musste ich feststellen, dass das historische Zentrum, welches die zahlreichen Touristen heutzutage bewundern, von der Idee her eine finnisch- deutsch-russische Co-produktion darstellt.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Helsingfors_%28Helsinki%29 _Le_Quai_%281890-1900%29.jpg
Der russische Zar Alexander I gab im Jahre 1812 seine Zustimmung, Helsinki zur Hauptstadt zu machen und als kaiserliche Residenz neu zu erbauen. Ein deutscher Architekt, Carl Ludvig Engel, gebürtiger Berliner, entwarf die Gebäude und Johan Albrecht Ehrenström zeichnete den Lageplan. Der war kühn und schreckte auch vor dem Zuschütten einer ganzen Bucht für das Anlegen der heute beliebten Esplanaden nicht zurück.
Gebaut wurde die Stadt, natürlich, von finnischen Arbeitskräften. Aber das klassizistische Kernstück der Stadt ist ein Akt gezielter Stadtplanung, der in seiner Größe selbst den Architekten überraschte. In einem seiner Briefe schrieb er, dass wohl nur wenige Architekten auf der Welt die Gelegenheit erhalten, gleich eine ganze Stadt neu zu erschaffen, so wie es nun ihm geschähe.
(http://www.capscandinavia.com/assets/images/Visit_Helsinki_15.jpg)
Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich von Anfang an in Helsinki wohlgefühlt habe. Das Zentrum der Stadt ist, zumindest geistig durch die Architektur, mit Berlin verwandt. Und der spätere finnische Jugendstil ist eine wunderschöne Sache, aber dazu später.
Ich bin immer davon ausgegangen, dass Städte natürlich über die Jahrhunderte aus gewachsenen Dörfchen einfach “entstehen”, so wie Berlin. Aber Helsinki war von Anfang an eine “konstruierte” Angelegenheit, “ein Leben per Entwurf” oder “Dekret”, sozusagen.
Die Idee einer Stadt namens Helsinki landete im Jahr 1550 am schwedischen Königshof. Damals gehörte Finnland zum schwedischen Königreich und König Gustav Vasa beschloss, eine “Stadt” an der finnischen Südküste zu bauen. Der Grund war eher profan, eine Mischung aus Geldhunger und Geltungsdrang. Es gab schon damals einen schwunghaften Handel mit Tallinn (damals Reval) und der König wollte diesen Handel kontrollieren und Gewinn abschöpfen. Kurzerhand wurde an der Mündung des Vantaa-Flusses Land freigegeben und Leute aus der Umgebung wurden zwangsumgesiedelt, um die neue Hafenstadt zu beleben.
Das Ganze blieb jedoch eine bescheidene Ansammlung von Holzhäusern für rund 500 Leute, geplagt von Armut, Konflikten und Seuchen. Im Jahr 1640 wurde die “Stadt” schließlich dorthin verlegt, wo sich heute Helsinkis Stadtteil “Kruununhaka” befindet, vor allem, um einen besseren Hafen bauen zu können. Von den Ursprüngen ist nichts erhalten geblieben, nur der Name des heutigen Stadtteils “vanhakaupunki”, alte Stadt, erinnert an die Vergangenheit.
Von einer Stadt kann auch am neuen Ort erstmal keine Rede sein. Um 1700 leben rund 1000 Seelen in einer bescheidenen, von der Renaissance inspirierten Holzstadt. Ein großer Teil der Bevölkerung fällt 1710 einer Pestepidemie zum Opfer. Als Zar Peter der Große dann 1713 einen Eroberungsfeldzug nach Stockholm beschließt, wird die Stadt von der landeseigenen Armee auf dem Rückzug kurzerhand in Brand gesteckt. In den folgenden sieben Jahren verbreitet die russische Besatzung im ganzen Siedlungsgebiet der Finnen Terror, Angst und Schrecken und die Periode ist unter dem Namen “isoviha”, großer Hass, in die Geschichte eingegangen. Sie findet 1721 mit dem wackeligen “Frieden von Uusikaupunki” ein Ende.
Machthunger und Kriegslust der russischen Monarchen schwelen jedoch weiter und der schwedische König, sowie die Finnen, beschließen, einen Festungsring an der Südküste zu bauen, um sich besser schützen zu können. Eine dieser Festungen und die am besten erhaltene ist Suomenlinna, oder Sveaborg auf schwedisch. Sie gehört heute zum UNESCO Weltkulturerbe und liegt auf mehreren Inseln vor der Stadt Helsinki. Mit ihren Backstein- und Naturstein-Häusern war die Festungsanlage der erste Ort in der Provinz Finnland mit wahrhaft städtischem Charakter. Sie war auch der Hauptgrund, dass Helsinki in der zweiten Hälfte des 18. Jh. auf über 4000 Einwohner anschwoll.
http://alumni.harvard.edu/sites/default/files/styles/trip_photo/public/trip/main_photo/ Gohagan_BalticSea_2013_08_ Helsinki_ Suomenlinna_@Michal%20Pise_WC.jpg?itok=ots1QHtD
Leider war auch diese Festung nicht in der Lage, dem russischen Expansionsdrang standzuhalten. Im Jahr 1809 wird sie nach drei Monaten Belagerung beinahe kampflos an die Übermacht der Russen übergeben und die über 600 Jahre dauernde schwedische Herrschaft findet ein abruptes Ende. Finnland wird nun nicht einfach einverleibt, sondern überraschend ein russisches Großfürstentum mit einer Reihe Sonderrechte, wie z.B. Glaubensfreiheit.
Dies ist vermutlich gleichermaßen dem Verhandlungsgeschick der finnischen Delegation wie dem Umstand zu verdanken, dass der Zar zu der Zeit mit dem Krieg gegen Napoleon alle Hände voll zu tun hatte. Er soll gesagt haben, dass “Finnland das einzige seiner Gebiete sei, das ihm kein Kopfzerbrechen bereite, weil das Leben dort ruhig und gesittet vonstatten ginge”. Dafür hat er sie vermutlich mit großer Autonomie belohnt.
Unter schwedischer Herrschaft war Turku die Hauptstadt Finnlands. Es heisst immer, dass der Zar entschied, Helsinki zur Hauptstadt zu machen, da es näher an St. Petersburg liegt und über bessere Fährverbindungen nach Süden verfügt. Tatsächlich stammte die Idee jedoch von einem finnischen Landsmann mit Namen Gustaf Fredrik Stjernvall und wurde vom damaligen Berater für finnische Angelegenheiten, Gustaf Mauritz Armfelt, tatkräftig unterstützt. Dem Zar gefielen die Vorschläge und er unterzeichnete die Pläne der Finnen schließlich im April 1812.
Praktischerweise war die alte Holzstadt Helsinki, wieder einmal, schon im Jahr 1810 bis auf die Grundmauern abgebrannt. Dies ist der Hauptgrund, warum eine völlig neue Stadt auf dem Reissbrett entstehen konnte. Johan Albrecht Ehrenström fungierte als Stadtplaner, Carl Ludvig Engel entwarf die Gebäude im klassizistischen Stil, der damals in St. Petersburg vorherrschte, und der Zar war zufrieden.
Jetzt wurde aus Helsinki allmählich eine richtige Stadt, auf Granit gebaut und inmitten von eindrucksvoller, noch naturbelassener Landschaft. Um 1850 waren alle Gebäude um den Senatsplatz bereits fertiggestellt und in Helsinki wohnten nun bereits 15 000 Einwohner. Engel, Zar Alexander I und Ehrenström waren mittlerweile gestorben und eine neue Stilphase in der Architektur begann, die nun finnische Architekten vorantrieben.
Aber “living by design” gilt bis heute. Einige wenige Persönlichkeiten bestimmen das Stadtbild und die Stadtentwicklung, die jetzt durch Industrialisierung und nationalromantischen Jugendstil neue Stilelemente erhält.